vis A vis

„Differenzierte Gestaltung von Schallschutzwänden vor Ortschaften nahe der Autobahn“
Ein Projekt gegen Verkehrslärm
Förderung: Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Landesverband Bildende Kunst Sachsen e.V.

01_Skyline
02_Schallschutzwand

 

Flyer

  (Größere Ansicht: Klick ins Bild)

Lärmkartierung: 65 dB(A) schädigen die Gesundheit

 

 

Ein Dorf baut seine Schallschutzwand

Prösitz Google Maps 2013

Der Schallpegel innerhalb des Dreiseitenhofes im Künstlergut Prösitz beträgt 71,6 dB(A). Gemessen am "Tag gegen Lärm", am 25.04.2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Videostill: &quotvis A vis&quot: Ingo Güttler, Video: Harald Schluttig

Anlass für das Projekt vis A vis war das Symposium: „Kunst und Natur an der A 14“ – ein Projekt gegen Autobahnlärm in Deutschland, für mehr Lebensqualität im Muldenland entlang der A 14.

Die Autobahn A 14 verbindet die Städte Dresden und Leipzig. Seit der Eröffnung der Autobahn im Jahr 1973 ist das Verkehrsaufkommen drastisch gestiegen. Damit verbunden ist eine ständig wachsende und immer extremer werdende Lärmbelastung für die Ortschaften nahe der Autobahn. Eine Lärmbelästigung die es vorher nicht gab. Zur Zeit frequentieren tagsüber etwa 8 bis 10 LKW pro Minute die Strecke. Die ortsansässige Bevölkerung steht dieser Entwicklung wie ohnmächtig gegenüber. Die Folgen der Lärmbelastung für die ländliche Entwicklung sind der Fortzug der Bevölkerung, Leerstand und Verfall der Gehöfte.

Projektvorschlag

  • Die Häuser, die durch die Folgen der Lärmbelästigung leer stehen und am Verfallen sind, werden abgerissen.
  • Die Fassaden werden originalgetreu als Schallschutzwand an der Autobahn vor der Ortschaft aus dem Abbruchmaterial wieder aufgebaut.
  • Sie dienen als Schallschutz für die Häuser die noch bewohnt sind.

Die Idee kann an mehreren Orten, entsprechend den architektonischen Gegebenheiten, verschieden umgesetzt werden.

Straßenbau ist eine kulturelle Errungenschaft und zugleich auch ein kultureller Prozess der die Beziehung zu unserer Umgebung, aber auch unsere Beziehung zu anderen Menschen formt.
Deshalb ist Lärmschutz ist eine Kulturleistung.
Das Bundesumweltamt spricht vom Lärm als dem Umweltgift Nummer 1.

Das Projekt vis A vis
Das Projekt spiegelt (transportiert) die komplexen Probleme zum Verursacher, zur Schallquelle und reflektiert zugleich wirksam den Schall. Es zitiert die ortstypische Bebauung als künstlerisches Element.

  • Das Projekt ist ein Beitrag zur Regionalentwicklung. Das negative Image, was durch die verfallenen Höfe entsteht wird beseitigt. Die Flächen werden kultivierbar.
  • Die alte Bebauung bleibt erhalten (die Scheune der Familie) und wird Teil einer neuen Architektur.
  • Die Schallschutzwand wird gestaltet. Sie ist kein schwarzer Balken am Horizont, besonders dort, wo die Ortschaften tiefer als die Autobahn gelegen sind.
  • Durch den interessanten Formverlauf der Giebelwände, durch das Einbringen von Fenstern, Türen, Toren und Schattenfugen hat jede Ortschaft ihre individuelle Schallschutzwand. Das ist eine willkommene Abwechslung.
  • Die Monotonie beim Autofahren, die häufig bei industriell gefertigten Schallschutzwänden entsteht, wird unterbrochen.
  • Das Projekt lässt sich problemlos in andere Typen von Schallschutzwänden integrieren.
  • Das Projekt informiert: … hier wohnen Menschen. Damit wird für den Lärm sensibilisiert.
  • Die angestrebte Bürgerbeteiligung ist möglich.

Bauausführung
Kostengünstig sind Drahtgitterkörbe (Gabionen) zum Schallschutz

  • sehr gute Schallschutzeigenschaften
  • keine aufwändige Tiefengründung
  • sie sind ökologisch wertvoll
  • mindern die Feinstaubbelastung
  • bieten Kleinlebewesen einen Lebensraum

In der Ansichtsseite der Schallschutzwand wird die Architektur der Fassaden im Drahtgitterkorb nachgebaut. Um den Schalldurchgang zu vermindern wird, wie bei Gabionen für den Lärmschutz üblich, in der Mitte ein Vliessack mit Sand und feinem Bauschutt befüllt.

Lärm und Gesundheit
Das Wort Lärm stammt vom italienischen all‘armr, „zu den Waffen!“ und ist mit „Alarm“ verwandt. Alarm führt zu Stressreaktionen. Dabei wird emotionaler Stress und autonomer Stress unterschieden. Emotionaler Stress ist durch das persönliche Verhältnis zur Lärmquelle regulierbar. „Der eigene Hund macht keinen Lärm – er bellt nur. (Kurt Tucholsky)“
Autonome Stressreaktionen laufen unbewusst ab. Es ist eine Alarmreaktion des Körpers. Der Körper reagiert hier vom Willen unabhängig. Deshalb kann man sich am Lärm nicht gewöhnen.

„Lärm aktiviert das zentrale Nervensystem und veranlaßt die Ausschüttung von Stresshormonen (Noradrenalin und Cortisol) ins Blut. Die Folge sind: Anspannung, Nervosität, Reizbarkeit, höhere Herzschlagfrequenz, Gefäßverengung, erhöhten Blutdruck, und Blutdruckreaktionen. Bei Menschen, die über lange Zeit in einer lauten Umgebung wohnen, kommt es zu einer chronischen Erhöhung der Cortisol- und Noradrenalinspiegel im Blut, ebenso zu Konzentrationsänderungen der Blutfette. Aus Ergebnissen der Stressforschung ist bekannt, dass damit das Risiko für Magen-Darm- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht ist. Chronischer Lärmstress beschleunigt auf biochemischem Wege die Alterung des Herz-Kreislauf-Systems, mit zunehmendem biologischen Alter des Herzens nimmt das Herzinfarktrisiko zu.
Langzeit-Lärmbelastung gilt als Risikofaktor für Herzinfarkt, ebenso für Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Bei lärmbelasteten Kindern können Leistungs- und Verhaltensprobleme auftreten. Zum Beispiel herabgesetzte
Schulleistungen, verringerte Frustrationstoleranz, Gereiztheit, verringerte Hilfsbereitschaft (!), Neigung zu riskanten Entscheidungen. Weitere Wirkungen des Lärms werden zur Zeit noch diskutiert (u.a. die Schwächung des Immunsystems).“

 

Verweise:

Bundesumweltamt
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)

„Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day“ der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA)