Erdwärmeplattform Oelsnitz/Erzgeb.

Ort: Oelsnitz Erzgebirge: Deutschland-Schacht-Halde
Geothermisch temperierte Sitz- und Liegeplattform, ca. 21 x 15 x 2,1 Meter
Wettbewerb, Auslober: Stadt Oelsnitz/Erzgeb. und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, 2002
Förderung: Arbeitsstipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, 2004

WettbewerbsModell

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Entwurf_Bodensenkungen

Relief_Bodensenkungen

markanteGebaede2

Bergsenkung_Besiedlung

Zeitsenkkurve

ErdwaermeInSchachtanlagen

Oberflächentemp_Verteilung

Standort_Erdwaermeplattform

Wasser_Verdunstet

Blick_zum_Aussichtsturm

Blick_auf_Oelsmitz

Standort_Erdwaerme_Foto

Weg_zur_Erdwaermeplattform

Vorplanung_

Schema_Amotherm

Logo_KultStiftSachsen

Anlass
In gemeinsamer Projektarbeit zwischen der Stadt Oelsnitz/Erzgeb. und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen wurde 2002/2003 ein Projekt gestaltet unter dem Titel: „Konzepte zur Förderung des öffentlichen Bewusstseins für die Langzeitfolgen des Bergbaus und für die Stärkung regionaler, soziokultureller Belange in der ehemaligen Bergbaustadt Oelsnitz/Erzgebirge.“ (1)

Idee
„Die Landkarte ist nicht das Gebiet, aber wenn die Landkarte brauchbar ist, ist sie der Struktur des Gebietes ähnlich“. Alfred Korzybski: Science and Sanity, 1933

Das Relief der Bodensenkungen in Lugau-Oelsnitzer Steinkohlerevier bildet, in der Umkehrung, die Vorlage für die Gestaltung einer großflächig angelegten, geothermisch beheizten Liege- und Sitzgelegenheit. Sie ist im Sommer und Winter gleichmäßig temperiert und trocknet nach Regenschauern schnell ab. Die Energie dafür liefert die Deutschlandschacht Halde am Stadtrand.

Nach der „Auskohlung“ der Region stößt man hier auf ein neues Potential: Die Gewinnung von Erdwärme. Dieses neue Potential soll sichtbar und nutzbar gemacht werden. Erdwärmenutzung ist zum heutigen Stand der Technik ein wirtschaftliches Verfahren, dass zu Öl- und Gasheizung konkurrenzfähig ist. Besonders die Nutzung der Grubenwässer wäre effizient.

Mit dem Projekt wird versucht, den Anstoß für eine verstärkte Nutzung geothermischer Energie in der Region zu geben. Die Diskussionen darüber könnten öffentlicher geführt, Investoren über dieses Projekt auf die Möglichkeit zur Nutzung dieser Ressource aufmerksam gemacht werden.

Soziales Anliegen
Bodensenkungen entstehen, weil über den Steinkohleflötzen kein tragendes Deckgebirge vorhanden ist. Wird die Steinkohle abgebaut, so „rutschen“ die darüber liegenden Gesteinsschichten nach. Die Bodensenkungen markieren also über Tage in etwa das Ausmaß, in dem unter Tage Steinkohle entnommen wurde. Die tiefste Stelle liegt bei minus 17 Meter. Rathaus und Marktplatz von Oelsnitz/Erzgeb. haben sich etwa 9 Meter gesenkt.

Die Bodensenkungen haben Auswirkungen auf das Stadtbild. Viele markante Gebäude, Schulen, Kaufhäuser konnten nicht gehalten werden. Das ist ein Grund weshalb der Stadt heute das eigentliche Zentrum fehlt.

Von den Bodensenkungen sind alle betroffen. Deshalb ermöglicht das Projekt eine persönliche Identifikation. Auf der abstrahierten Landschaft ist ersichtlich wo sich das Rathaus, die Kirche oder das eigene Haus befindet oder befand. Die Markierung von Straßen und Plätzen ist in die Gestaltung einbezogen. Die Erdwärmeplattform reflektiert die Langzeitfolgen des Bergbaus und ist ein Ansatz für den Imagewandel der Stadt.

Die Erschließung eines neuen Potentials der Region
Die Nutzung von Erdwärme ist in Oelsnitz/Erzgeb. wirtschaftlich tragfähig. Die Schächte sind auf 840 Meter, teilweise auf 1000 Meter abgeteuft. Sie gehören zu den tiefsten Schächten Europas. Bei herkömmlichen Verfahren der Erdwärmenutzung sind die Bohrungen nur etwa 40 Meter tief. Hier sind die Schächte noch quer getrieben. In Oelsnitz/Erzgeb. steht also ein ganz wesentlich höheres Energiepotential zur Verfügung.

Das bergbautechnische Wissen und langjährige Erfahrungen im Umgang mit den alten Schachtanlagen sind vorhanden. Das ist ein Standortvorteil der Region. Die Wärmegestehungskosten bei nachnutzungsfähigen Altbohrungen liegen bei 3 – 4 ct. / kWh. Diese tiefen Erdsonden haben einen Leistungsbereich von 0,1 – 2 MW und eignen sich besonders für Objekte mit hoher Grundlast (Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken, Altenheime, Tourismus). (2)

Die radioaktiv generierte Wärmeproduktion der Gesteinskruste ist hier mit 9 – 12 W/m3 sehr hoch. Deshalb erreicht die Oberflächenwärmestromdichte sehr hohe Werte von 61 – 122 mW/m2, so dass die Nutzung von Erdwärme in der gesamten Region grundsätzlich sinnvoll ist. (3)

Geothermie ist bei der Stromerzeugung und nicht wärmegesteuerten Kraftwerken grundlastfähig und hilft den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. Sie kann wichtigen Beitrag zu Klimaschutz und Energieversorgung leisten.

Nutzung der Abwärme der Halde
Für die Stadt Oelsnitz/Erzgeb. soll eine Modellsituation schaffen werden. Deshalb wurde als Ort für die Skulptur die Deutschlandschachthalde ausgewählt. Den Ort, wohin unmittelbar neben der Stadt ein großer Teil des Abraumes zusammen mit den Kohleresten geschafft wurde. Sie entwickelt durch Schwelbrände im Inneren starke Hitze, die man ähnlich wie die Wärme in den Schachtanlagen nutzen kann. (4) Die Oberflächentemperatur beträgt stellenweise 36°C. (5)

Auf der Deutschlandschachthalde lagern etwa 208.000 Tonnen Steinkohle die bisher ungenutzt schwelen, was einem Energiepotential von 1.870.000 MWh entspricht. (5)

Eine Gefährdung durch organische Kohlenwasserstoffverbindungen in der Atemluft kann ausgeschlossen werden. Die nachweisbaren Gehalte an Schwefelwasserstoff und Methan können vernachlässigt werden. (6)

Historischer Bezug im öffentlichen Bewusstsein
Die Erdwärmeplattform verdeutlicht durch die Form der Bergsenkungen optisch, in welchem Ausmaß hier Steinkohle abgebaut wurde (das Ausräumen des Ortes zur Energiegewinnung).

Sie zeigt gleichzeitig den Weg zur Nutzung einer regenerativen Energie mit modernster Technologie, unter Nutzung der bisher nur negativ bewerteten Langzeitfolgen des Bergbaus. (Schachtanlagen und Halden) Die hier geförderte Steinkohle war von entscheidender Bedeutung für die Industrialisierung Sachsens. Der Bergbau hat in der Region seit der Renaissance Tradition. Heute erinnern keine Zeitzeugen (Fördertürme, Industrieanlagen…) mehr daran dass, hier in der DDR die Hälfte des Steinkohleaufkommens gefördert wurde und daran, dass die Sozialistische „Aktivistenbewegung“ mit Adolf Hennecke hier ihren Anfang nahm. Am 31.03.1971 wurde der letzte Hunt im Lugau-Oelsnitzer Steinkohlerevier gefördert. (7)

Tourismus
Die Halde ist eine Landmarke und wird über das Projekt weiter touristisch aufgewertet. Die Erdwärmeplattform hat Naherholungswert und ist ein attraktiver Aufenthaltsbereich für Spiel, Entspannung und Begegnung. Aber auch das Ungewöhnliche und Einzigartige des Ortes wird auf die beschriebene zweifache Weise aufgezeigt, und sensorisch erlebbar gemacht.

Windenergie und Solarenergie ist überall optisch präsent. Die Erdwärmenutzung ist effektiv, aber schwer sichtbar und erlebbar zu gestalten. Hier können diese Technologien anschaulich kommuniziert werden. Die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit kann Bauherren, Verbrauchern, Handwerkern und Behördenvertretern in Form von Praxisseminaren, Workshops und Projektbereisungen näher gebracht werden.

Der Standort auf der Deutschlandschachthalde ist bereits durch einen markanten und sehr viel besuchten Aussichtsturm des Architekten Bernd Sikora bekannt. Der Blick über die Landschaft lädt auf der Süd-West Seite besonders zum Verweilen ein. Deshalb stehen hier schon einfache Sitzgelegenheiten. Das Projekt kann inhaltlich in die bestehende kulturelle Struktur der Stadt eingebunden werden. Das Bergbaumuseum befindet sich in unmittelbarer Nähe in Neuoelsnitz, weiterhin existiert ein didaktisch angelegter Bergbaulehrpfad und in der Zukunft ist ein Geologiepark geplant.

Energiegewinnung
Bei der Direktverdampfung von Amonjak in der Erdsonde ist die Wärmegewinnung ohne Wärmepumpe und damit ohne Stromverbrauch möglich. Dieses Verfahren wurde bei der Eisfreihaltung bei Eisenbahnweichen erfolgreich getestet und sollte hier zum Einsatz kommen. Mit den Erdsonden, die für die Erdwärmeplattform benötigt werden, wird gleichzeitig eine Messstation eingebracht, die das Temperaturverhalten der Halde unter thermischer Last ermittelt. Die hier angewendete Methode der Erdwärmegewinnung ist der Fluidbergbau. (8)

Innovation
Seit dem die novellierte Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes am 1. August 2004 in Kraft getreten ist, ist ein deutliches Interesse an der Realisierung von Geothermieprojekten zu verzeichnen. (9)

Vorplanung und Kostenermittlung DIN 276: Furkert Architekten und Ingenieure

Wärmetechnische Dimensionierung: Amotherm GmbH Coswig (Sa)

Statik: Trag Werk Ingenieure, Dresden

Das Projekt „Erdwärmeplattform“ aus dem Jahr 2002 wurde von der Stadt Oelsnitz/Erzgeb. 2004 zurückgestellt.

Impressum

1   Beschränkter Wettbewerb, Künstlerische Leitung: Dr. Peter Guth, Klaus Hirsch, Projektberatung: Bernd Sikora, Projektmanagement: Michael Hasselbach

2   Fraunhofer UMSICHT, Bd.6 1998, S. 27

3   Deutsches GeoForschungsZentrum Potzdam (GFZ Potsdam)

4   Im Haldeninneren werden folgende Temperaturen gemessen:

1,0 m Tiefe: 62,6 °C, 3,0 m Tiefe: 70 °C, 5,5m Tiefe: 70,2 °C: T. Beier, Dr. R. Käppler, Prof Dr. H. Lindner: Temperaturmessungen auf einer Steinkohlenhalde in Oelsnitz    i.E 06.08.1999, Institut für Geophysik, TU Bergakademie Freiberg

In Tiefenbereichen von 20 m werden Temperaturen von ca. 250°C erwartet: Dr. M.Wittig in: BV Aussichtsturm in Oelsnitz auf der Bergbauhalde Deutschland-Schacht, Baugrundbeurteilung und Gründungsempfehlung; BIUG Beratende Ingenieure für Umwelttechnik und Grundbau, 1999

5   CAP Oelsnitz GmbH, Abschlußbericht zur Studie „Bewertung und potentielle Nutzung des Energiepotentials  der Bergbauhalden in Lugau – Oelsnitz“, 1995

6   SLG- Ingenieurbüro für Umweltschutz und Projektierung GmbH: Gefährdungabschätzung Ausgasungen im Haldenplateau der Deutschlandschachthalde Oelsnitz 7   Das Lugau-Oelsnitzer Steinkohlerevier: Förderverein Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgeb. e.V. (Herausg.);    Verfasser: Vogel, Rolf

8   Dr.-Ing. Jochen Hamann, AmoTherm AG Coswig (Sa.)Prof. Dr.-Ing. habil. Häfner, TU Bergakademie Freiberg, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau, Geothermie: Heizen und Kühlen mit Eis und Ammoniak. Schematische Darstellung: KOPF AG Umwelt- und Energietechnik, Amotherm-Geothermie: Die Energie des Kraftwerks Erde nutzen. 2002

9   Bericht der Bundesregierung über ein Konzept zur Förderung, Entwicklung und Markteinführung von geothermischer Stromerzeugung und Wärmenutzung, 13.05.2009