Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, Kamenz, Macherstraße 63
Klangskulptur: Granit-Gehwegplatten Solarzellen, Elektronik. Maße ca. 3,4 x 3 x 1,2 Meter
Auftraggeber:Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen II
Ausführung: 1996, Elektronik: Helmut Metz
Idee:
Gehwegplatten aus Granit sind so geschichtet, dass sie die Form einer Gauß’schen Glockenkurve bilden. Ein hochempfindliches Messgerät misst den Zerfall der radioaktiven Spurenelemente im Granit, und bringt diese, als einen offenen, tiefen Ton zu Gehör. Den elektrischen Strom dazu liefern die Solarzellen hinter der Skulptur.
Die Skulptur:
Die Gauß’sche Glockenkurve beschreibt die statistische „Normalverteilung“. Normalverteilt sind die meisten natürlichen Prozesse wie z.B. die Alterspyramide. Es gibt auch andere Verteilungsformen. Wirtschaftliche oder soziale Merkmale weichen häufig von der Normalverteilung ab. Trotzdem wird häufig zuerst der Test auf Normalverteilung der Daten vorgenommen.
Alle Granite enthalten als Urgestein Spuren radioaktiver Elemente (4-10 g/t). Die Zerfälle der einzelnen radioaktiven Elemente im Granit Kalium, Thorium, Uran und ihrer zum Teil radioaktiven Zerfallsprodukte, gehorchen aber einer anderen statistischen Verteilungsform, der „Poisson-Verteilung“. In der Summe aller Zerfälle – und in diesem Fall wird ja die Summe erfasst – kann man aber von einer statistischen Normalverteilung nach Gauß ausgehen. Also die Überlagerung der einzelnen Poisson-Verteilungen ergibt näherungsweise eine Gauß’sche Glockenkurve.
Damit wird die Frage nach dem Wahrheitsgehalt, oder anders ausgedrückt, der Frage nach der Interpretation statistischer Aussagen berührt: Die Aussage ist abhängig von der Fragestellung.
Stellt man die Frage nach der Summe der Zerfälle im Granit, so ist die Antwort richtig: Näherungsweise kann man alle radioaktiven Zerfälle im Granit mit der statistischen Normalverteilung beschreiben.
Stellt man die Frage nach der Verteilung der Zerfälle eines einzelnen radioaktiven Elementes, so ist die Antwort falsch: Der Zerfall des einzelnen Elementes wird nach der Poisson-Verteilung beschrieben.
Die Solarzellen ermöglichen, dass die Skulptur, und damit die Fragestellung, für sich autonom ist. Die Mitarbeiter hören hier also immer das, womit sie täglich in Berührung kommen, womit sie auch rechnen. Jedes erfaßte Ereignis wird dargestellt. Die Tonfolge scheint chaotisch. Die Skulptur ist selbstreflexiv. Sie bildet ein in sich geschlossenes System.
Die Skulptur hat einen optischen Näherungsschalter. Nähert man sich der Skulptur von vorn erfolgt eine Verfremdung des Klanges in Form eines Oktavsprunges nach oben. Der, der sich um Interpretation bemüht, verfremdet durch sich, durch seinen Körper, die Darstellung. Tritt man wieder zurück, liefert die Skulptur wieder Daten wie vorher, die zur Interpretation offen sind.
Würde man jedes Mal, wenn ein Ton ertönt, auf der Zeitachse einen Punkt machen, so würde sich im Laufe einer sehr langen Zeit die Form ergeben, wie sie aus den Gehwegplatten geschichtet ist.